Beziehungen des Silberrückens zu Jungtieren

Kategorien: Ausgabe 69, Verhalten, Sonstige Länder, Westliche Flachlandgorillas

Der Silberrückenmann Bongo im Tierpark Apenheul spielt mit seinem Sohn Lukas. (© Angela Meder)

Die Frage, ob die Beziehung zwischen jungen Westlichen Flachlandgorillas und dem erwachsenen Männchen der Gruppe (dem Silberrücken) durch die Verwandtschaft bestimmt wird, gingen Forscher der Universität von Kyoto und dem Forschungsinstitut für tropische Ökologie in Libreville, Gabun, nach. Dabei untersuchten sie eine Gruppe, in der sowohl mit dem Silberrücken verwandte als auch nichtverwandte Jungtiere lebten.

Westliche Flachlandgorillas leben gewöhnlich in Gruppen, die aus einem Silberrücken, mehreren erwachsenen Weibchen sowie deren Nachwuchs bestehen. Auch wenn die Mutter die Hauptbezugsperson der Jungtiere ist, richtet sich deren Aufmerksamkeit mit zunehmendem Alter immer mehr auf den Silberrücken. Dieser kümmert sich seinerseits gewöhnlich um seinen Nachwuchs. Wenn ein Jungtier im ersten Lebensjahr den Vater verliert, bedeutet dies ein hohes Sterblichkeitsrisiko. Da es bei Westlichen Flachlandgorillas in der Regel nur einen Silberrücken pro Gruppe gibt, ist das Risiko, dass eine Gruppe nach dessen Tod auseinanderbricht und die Weibchen in eine neue Gruppe wechseln müssen, relativ hoch. Doch was passiert, wenn Mütter mit ihren Jungtieren zu einem Silberrücken wechseln, der nicht der Vater ihrer Kinder ist?

In der vorliegenden Studie aus dem Moukalaba-Doudou-Nationalpark in Gabun zerfielen zwei Gruppen von Flachlandgorillas, und deren Mitglieder wechselten in die Nidai-Gruppe. Darunter waren drei adulte Weibchen mit ihrem Nachwuchs. In der Gruppe befanden sich bereits zwei Jungtiere des Silberrückens sowie ein Weibchen, das ursprünglich aus einer der zerfallenen Gruppen stammte und somit mit einigen Jungtieren bekannt und verwandt war.

Die Verhaltensbeobachtungen der Forscher in den Jahren 2018 und 2019 zeigten, dass die Jungtiere mit zunehmendem Alter immer weniger Zeit in der Nähe der Mutter verbrachten. Ihre Verwandtschaft zum Silberrücken spielte dabei keine Rolle.

Überdies stellte sich heraus, dass die verwandten Jungtiere mehr Zeit in der Nähe des Silberrückens verbrachten als die neu hinzugekommenen, nicht mit ihm verwandten Jungtiere. Etwa ein Jahr nach dem Wechsel nahm die Zeit, in der sich die nicht verwandten Jungtiere in der Nähe des Silberrückens aufhielten, jedoch deutlich zu. Somit scheint nicht nur die Verwandtschaft, sondern auch die Vertrautheit die sozialen Beziehungen zu beeinflussen.

Der Silberrücken zeigte gegenüber den nicht verwandten Jungtieren keine aggressiven Verhaltensweisen (es gibt zwar Kindstötungen auch bei Westlichen Flachlandgorillas, aber eher bei Säuglingen). Die Annäherung ging von den Jungtieren aus und sie verbrachten mehr Zeit in der Nähe des Silberrückens als ihre Mütter. Die Forscher*innen vermuten, dass die Toleranz des Silberrückens gegenüber den neu eingewanderten, nicht verwandten Jungtieren eine Reproduktionsstrategie ist, mit der ein Silberrücken seine eigene Fitness erhöht.

Zusammenfassung von
Tamura, M., Akomo Okoue, E. F., Mangama-Koumba, L. B., Ebang Ella Ghislain, W. & Mindonga-Nguelet, F. L. (2024): Does kinship with the silverback matter? Intragroup social relationships of immature wild western lowland gorillas after social upheaval. Primates 65, 397-410