Berggorilla-Waisen: gut behütet

Kategorien: Ausgabe 62, Verhalten, Ruanda, Vulkan-Nationalpark, Berggorillas

Der Silberrückenmann Bwenge kümmert sich um Ntaribi und Akaramata, nachdem ihre Mutter gestorben ist. (© Veronica Vecellio/Dian Fossey Gorilla Fund)

Forscher des Dian Fossey Gorilla Fund (DFGF) haben anhand des Datenbestands aus mehr als 50 Jahren herausgefunden, wie der Verlust der Mütter die sozialen Beziehungen, das Überleben und die Fortpflanzung von Berggorillas in Ruanda beeinflusst. Die Studie zeigt, dass der Rest der Gruppe den Verlust abfedert, indem er seine Beziehungen zu den Waisenkindern stärkt.

Mütter sind unverzichtbar für das Aufwachsen der Jungtiere. Das ist bei allen Säugern gleich. Bei uns Menschen leisten Mütter oft bis zum Erwachsenenalter und sogar darüber hinaus weiterhin wichtige Unterstützung. Bei vielen Arten, z. B. Schimpansen, leiden mutterlose Kinder allerdings unter einer höheren Sterblichkeit oder sind später vergleichsweise weniger erfolgreiche Eltern. Bei Berggorillas ist das anders.

Seit 1967 verloren 59 Gorillas, die vom Dian Fossey Gorilla Fund beobachtet wurden, ihre Mütter, als sie bereits entwöhnt, aber noch nicht erwachsen waren (im Alter von 2 bis 8 Jahren). Entweder starb die Mutter (30,5 % der Fälle) oder sie wechselte in eine andere Gruppe (69,5 % der Fälle). Diese Waisen hatten jedoch kein höheres Sterberisiko als diejenigen, deren Mütter noch da waren. Darüber hinaus scheint das Erlebnis keinen langfristigen Einfluss auf den späteren Fortpflanzungserfolg zu haben.

Nach dem Verlust der Mutter änderten sich allerdings die Beziehungen zu anderen Gruppenmitgliedern dramatisch. Dies führte dazu, dass sie besser in die Gruppe integriert wurden und dass der Mangel sozialer Zuwendung aufgefangen wurde. Diese Unterstützung ähnelt dem, was wir bei Menschen sehen, wenn Familienmitglieder und sogar Nicht-Verwandte eine Schlüsselrolle bei der Betreuung von Kindern übernehmen.

Berggorillas leben in eng verbundenen Gruppen, die von Silberrückenmännern geführt werden. Es ist bekannt, dass diese sich intensiv um junge Gruppenmitglieder kümmern. Dian Fossey schrieb dazu: "Der besonders sanfte Umgang des erwachsenen Manns mit seinen Jungen zerstreut die ganze Mythologie von King Kong."

In der neuen Studie wurde festgestellt, dass die dominierenden Silberrücken eine extrem wichtige Rolle bei der Unterstützung mutterloser Jungtiere spielten, dass sie mehr Zeit mit ihnen verbrachten. Dies traf auf alle Gruppenleiter zu, unabhängig davon, ob sie die genetischen Väter waren oder nicht. Wahrscheinlich stellen sie damit sicher, dass Waisenkinder nicht sozial isoliert werden und weiterhin Zugang zu Nahrung und anderen Ressourcen haben.

Unsere Fähigkeit, in Zeiten der Not für andere Gruppen- und Familienmitglieder zu sorgen, ist möglicherweise angeboren und wir teilen sie mit Gorillas. Genau wie wir können Gorillas recht alt werden. Daher dauert es viele Jahre, bis Forscher solche seltenen Verhaltensweisen in einer Studie auswerten können. Die Datensammlung des DFGF hilft uns zu verstehen, wie viel wir mit diesen Tieren, die zu unseren engsten Verwandten gehören, gemeinsam haben, während wir versuchen, Gorillas und ihren Lebensraum zu schützen.

Robin E. Morrison

Originalveröffentlichung:
Morrison, R. E., Eckardt, W., Colchero, F., Vecellio, V. & Stoinski, T. S. (2021): Social groups buffer maternal loss in mountain gorillas. eLife 10, e62939