Besuch bei den Gorillas in Kahuzi-Biega
Kategorien: Tourismus, Ausgabe 46, D. R. Kongo, Kahuzi-Biega, Grauergorillas, Gorilla Journal
Der Kahuzi-Biega-Nationalpark im Osten der Demokratischen Republik Kongo liegt unweit der Großstadt Bukavu am südlichen Ende des Kivusees. Er umfasst eine Gesamtfläche von etwa 6000 km², wovon etwa 10% im Hochlandteil von Bergregenwald bedeckt ist. Der wesentlich größere Tieflandteil mit tropischem Regenwald ist nur durch einen schmalen Korridor mit dem Hochland verbunden. Die Gorillas, die in diesem Nationalpark leben, sind Grauergorillas (Gorilla beringei graueri), früher auch als Östliche Flachlandgorillas bezeichnet.
Während die Gorillapopulation im Hochland dank des ausschließlich dort stattfindenden Gorillatourismus zur Zeit recht gut geschützt zu sein scheint, sieht es im Tieflandteil völlig anders aus. Neuere Informationen über die Bestandsentwicklung dort gibt es nicht, doch lassen die zahlreichen illegalen Aktivitäten innerhalb der Nationalparkgrenzen, wie Gold- und Coltan-Minen sowie Landnahme für Ackerflächen keine optimistische Einschätzung zu.
Aber auch die für Tourismus habituierten, d. h. behutsam an die Anwesenheit von Menschen gewöhnten Gorillas im Hochlandteil waren in der Vergangenheit bevorzugtes Ziel von Wilderern: 1999 wurden über zwei Drittel aller habituierten Gorillas dort abgeschossen, darunter auch so bekannte Tiere wie der alte Silberrücken Mushamuka. Der auf einer früheren Banknote des Landes abgebildete Silberrücken Maheshe war bereits 1994 Wilderern zum Opfer gefallen.
Nachdem mein letzter Besuch in Kahuzi-Biega bereits mehr als 18 Jahre zurücklag, war ich gespannt darauf, was mich erwarten würde, als ich im November 2012 die Gelegenheit hatte, mich einer kleinen Privat-Reisegruppe um Andreas Klotz (Mondberge-Projekt) anzuschließen. Es waren Gorillabesuche bei drei Populationen der Östlichen Gorillas geplant, zunächst in Kahuzi-Biega, anschließend im Parc National des Volcans in Ruanda und im Bwindi Impenetrable Forest in Uganda. Da die Sicherheitslage gerade im östlichen Kongo nach wie vor sehr instabil ist, besteht eine Reisewarnung des deutschen Außenministeriums. Obwohl eine Reise dorthin demnach nicht ohne Risiko ist, vertrauten wir dem sehr aktuellen Wissen über die Sicherheitslage unseres in Afrika lebenden deutschen Reiseleiters und des örtlichen Veranstalters.
Als wir am frühen Morgen von Bukavu aus das Hauptquartier in Tshivanga am Rand des Nationalparks erreichten, konnte ich erfreut feststellen, dass uns der selbe Guide zu den Gorillas führen würde wie bei meinem ersten Besuch 1994. Lambert ist inzwischen zum Chef-Guide aufgestiegen und hat Kahuzi-Biega über all die Jahre die Treue gehalten, was angesichts dieser in Kriegszeiten durchaus lebensgefährlichen Tätigkeit hohe Anerkennung verdient. Während die Formalitäten erledigt wurden, studierten wir die ausgestellten Schädel zahlreicher Gorillas, Waldelefanten und anderer Tierarten, die der Wilderei zum Opfer gefallen waren.
Das Gorilla-Permit für einen Besuch kostete 400 US-Dollar. Nach der Instruktion unserer Reisegruppe durch Lambert wurden wir auf der mitten durch den Nationalpark führenden öffentlichen Straße zum Ausgangspunkt unseres Fußmarsches gebracht. Wir waren zwar informiert worden, dass die Gorillas sich zu dieser Jahreszeit überwiegend in den Bambuszonen des Parks aufhalten, um sich dort von ihrer bevorzugten Kost während der Regenzeit, dem saftigen Mark der Bambusstangen, zu ernähren, aber mit einer Wanderung von nur 10 Minuten (!) in ebenem, dicht bewachsenem Gelände, bevor wir auf die nach ihrem Anführer Chimanuka benannte Gorillagruppe stießen, hatten wir doch nicht gerechnet. Der Silberrücken genoss mit größter Gelassenheit eine Bambusstange nach der anderen, während er die wenige Meter von ihm entfernt stehenden Fotografen gekonnt ignorierte.
Wir waren kurz vor der Ankunft bei den Gorillas mit Schutzmasken, die Nase und Mund bedecken und eine Krankheitsübertragung auf die Tiere verhindern sollen, ausgestattet worden. Durch die sehr dichte Vegetation innerhalb des Bambuswaldes war an eine Einhaltung des Mindestabstandes von 7 m nicht zu denken. Selbst ein Ausweichen bei zu großer Annäherung von Gorillas wäre schwierig gewesen.
Die etwa 38-jährige älteste Gorillafrau dieser Gruppe ist bei den Guides als recht unduldsam gegenüber ihr fremden Besuchern bekannt. Diesmal beschränkte sie sich auf ein paar missbilligende Laute in unsere Richtung. Auffällig an diesem Tier, das ein etwa zweijähriges Kind hatte, war eine weißliche Sekretabsonderung aus den Augen.
Als die wenigen Gorillas, die wir bis dahin zu Gesicht bekommen hatten, weitergezogen waren, schlugen uns die Guides mit ihren Macheten einen Pfad durch die sehr dichte Vegetation, und ganz unvermittelt befanden wir uns schon wieder auf der Straße, von der aus wir losgelaufen waren. Nun wurden wir, auf der regelmäßig von abenteuerlich mit Menschen, Tieren und Waren überladenen Lkws und Mopeds befahrenen Straße stehend, Zeugen der bedenklichen Nähe von Zivilisation und Gorillas. Mehrere Gorillafrauen und ihre Kinder waren nach und nach am Waldrand aufgetaucht, beobachteten interessiert das Treiben auf der Durchgangsstraße und ließen sich dann tatsächlich auf einer winzigen Lichtung direkt am Waldrand zur Siesta nieder. Hier spielten die Gorillakinder unbekümmert miteinander, während sich die erwachsenen Tiere ausruhten. Immer wieder hatten unsere Guides Mühe, anhaltende Lkws zum Weiterfahren zu bewegen, denn auch für die Einheimischen ist der Anblick von Gorillas ein sehr seltenes Ereignis.
Sowohl unsere Guides als auch Carlos Schuler, der früher viele Jahre für den Schutz der Gorillas in Kahuzi-Biega gearbeitet hat und jetzt ein großes Restaurant in Bukavu betreibt, bestätigten uns, dass die Gorillas nie ein Problem mit der Straße hatten, die ihren Lebensraum durchschneidet. Sie war immer da, und selbst als die Autos aufgrund der früher besseren Qualität der Straßendecke viel schneller fuhren als heutzutage, soll es nie Verkehrsunfälle mit Gorilla-Beteiligung gegeben haben.
Fazit des Besuches in Kahuzi-Biega ist, dass der Grauergorilla-Bestand im Hochland-Teil stabil ist bzw. leicht anwächst, während die Population der Waldelefanten durch die Elfenbein-Wilderei nahezu völlig ausgelöscht wurde.
Peter Zwanzger