Umweltforschung in der Kivu-Region
Kategorien: Ausgabe 64, Regenwald, Ökologie, D. R. Kongo, Östliche Gorillas
Auf dem Flug von Kigali, der Hauptstadt Ruandas, in die Region Kivu im Osten der Demokratischen Republik Kongo erstreckt sich unter uns eine hügelige Landschaft, welche von einem Mosaik aus kleinen Anbauflächen mit Maniok, Mais, Süßkartoffeln, Bananen, Hirse, Bohnen und Gemüse, aber auch von großen Teeplantagen geprägt ist. Was aus der Luft wunderschön aussieht, ist am Boden oft eine andere Realität. Der Ostkongo ist eine der ärmsten Regionen der Welt und war in den letzten 30 Jahren geprägt von heftigen politischen Unruhen (Genozid in Ruanda, Kongokriege).
Im Hochland der Region Kivu stieg in diesen Krisenjahren die Bevölkerungsdichte stark an. Speziell entlang des namengebenden Kivusees leben viele Kleinbauern und betreiben Subsistenzlandwirtschaft. Während in Ruanda die meisten Hänge durch staatliche und internationale Hilfsgelder terrassiert wurden, wird in der Demokratischen Republik Kongo wenig in die Landwirtschaft investiert.
Infolge des Bevölkerungsdrucks wird auf sehr steilen Hängen der Wald abgeholzt und Landwirtschaft betrieben, was den Boden sehr für Erosion anfällig macht. Der fruchtbare Oberboden, angereichert mit organischem Kohlenstoff und Pflanzennährstoffen, wird bei starken Regenfällen abgetragen und in die Täler geschwemmt, wo er für die Bauern oft verloren ist. Stark verwitterter, oft nährstoffarmer Unterboden bleibt an den Hängen für die Landwirtschaft zurück. An steil gelegenen Feldern kann sogar der ganze Unterboden bis auf das Muttergestein erodieren, sodass Pflanzenwachstum kaum mehr möglich ist.
Es handelt sich dabei oft um einen Teufelskreis aus Abholzung und Ackerbau: Durch schlechte oder fehlende Infrastruktur wird kaum Erosionsschutz betrieben; die Böden degradieren daher oft schnell und die Erträge sinken. Dies wiederum erhöht den Druck, weiteren Wald zu roden. Hinzu kommt, dass meistens nur Holzkohle als primäre Energiequelle in den Haushalten Verwendung findet. Speziell das Holz aus Bäumen der alten natürlichen Wälder ist besonders beliebt zur Herstellung von Holzkohle und erzielt auf dem Markt bessere Preise, was illegale Abholzung beschleunigt.
In dem Dreieck zwischen Naturschutz, Landwirtschaft und den Interessen indigener Völker wird es immer schwerer, eine zufriedenstellende konfliktfreie Lösung für alle Beteiligten zu finden - das führt dazu, dass geschützte Wälder weiterhin und wieder vermehrt abgeholzt werden (siehe Karte).
Die exponierten, steilen abgeholzten Hänge sind tropischen Starkregengüssen ausgesetzt, welche hauptverantwortlich für die Bodenerosion in der Kivu-Region sind. In einer Studie, die in Progress in Physical Geography veröffentlicht wurde, hat ein Forschungsteam unter der Leitung des Vulkanobservatoriums in Goma und der Katholischen Universität in Louvain-La-Neuve, Belgien, nun erstmals die Erosivität von Niederschlägen in der Region genauer bewertet. Dabei stellten sie fest, dass sowohl die Regenfallmenge als auch die Höhenlage der betroffenen Flächen entscheidend sind (Bagalwa et al. 2021).
Ein weiteres Problem ist, dass auf abgeholzten Flächen jahrtausendealte Kohlenstoffverbindungen aus tiefer gelegenen Bodenschichten mikrobiell zersetzt werden und als CO2 in die Atmosphäre gelangen (Drake et al. 2019). Die Folgen sind weitreichend. Das freigesetzte CO2 trägt in der Atmosphäre zum Treibhauseffekt bei und die zersetzte organische Materie, welche auch für die allgemeine Bodengesundheit notwendig ist, kann nur über lange Zeiträume wieder aufgebaut werden.
Um die Bodenprozesse in den kaum untersuchten feuchten afrikanischen Tropen und den Effekt der Landnutzungsänderung besser zu verstehen, aber auch um den Druck längerfristig von den Wäldern zu nehmen, sind zunächst großflächige Bodenanalysen notwendig. Infrarotspektroskopie wurde dabei in den letzten Jahrzehnten immer beliebter als eine günstige und einfache Methode, um Kohlenstoff, Pflanzennährstoffe, aber auch viele andere mineralische Bodeneigenschaften zu messen. Summerauer et al. (2021) haben dafür für Zentralafrika eine Datenbank von Bodenspektren erstellt, um zukünftige Bodenanalysen für die lokale Forschungsgemeinschaft kostengünstiger, schneller und einfacher zu machen.
Die logische Konsequenz der zunehmenden Abholzung der Bergregenwaldgebiete ist der Verlust von Lebensraum für die dortigen Gorillapopulationen (Grauergorillas und Berggorillas) und der Verlust von Biodiversität im Allgemeinen. Insgesamt gesehen muss demnach - vor allem auch für den Artenschutz und speziell den Schutz der Gorillapopulationen - ein nachhaltiges Management der Bodenfruchtbarkeit gesichert werden, damit der steigende Druck auf die Waldökosysteme bei gleichzeitiger Bevölkerungszunahme abgeschwächt wird.
Laura Summerauer und Matti Barthel
Literaturnachweis
Bagalwa, R. M. et al. (2021): Spatial and seasonal patterns of rainfall erosivity in the Lake Kivu region: Insights from a meteorological observatory network. Progress in Physical Geography: Earth and Environment 45 (6), 866-884
Drake, T. W. et al. (2019). Mobilization of aged and biolabile soil carbon by tropical deforestation. Nature Geoscience 12, 541-546
Hansen, M. C. et al. (2013): High-Resolution Global Maps of 21st-Century Forest Cover Change. Science 342, 850-855
Summerauer, L. et al. (2021): The central African soil spectral library: a new soil infrared repository and a geographical prediction analysis. SOIL 7, 693-715