Kakao und Bildung für Takamanda
Kategorien: Ausgabe 59, Gorilla Journal, Konflikte, Schulen, Kamerun, Cross-River-Gorillas
Im Takamanda-Nationalpark leben nicht nur viele der vom Aussterben bedrohten Cross-River-Gorillas (Gorilla gorilla diehli), sondern auch Menschen. Gefahr droht derzeit durch einen Bürgerkrieg. Während sich die großen internationalen Organisationen wie WWF oder WCS aus dem Gebiet zurückgezogen haben, ist der kleine Freiburger Verein AWP geblieben, um Gorillas und Einwohner nicht im Stich zu lassen.
Informationen über die Situation der Menschenaffen gibt es kaum. Seit über 2 Jahren ist der artenreiche Park eine militärische Kampfzone. Rebellen nutzen den Urwald als Rückzugsgebiet, die Regierung versucht die Gebiete zurückzuerobern. Dazwischen lebt die Bevölkerung. 2017 wurde sie aufgefordert, ihre Heimat binnen 48 Stunden zu verlassen. Viele sind über die Grenze nach Nigeria geflohen, zum Teil in das Auffanglager des UNHCR. Einige sind inzwischen trotz des Bürgerkrieges in ihre Dörfer zurückgekehrt. Sie wollen ihr Leben in der Heimat wieder aufbauen. Die AWP hilft ihnen dabei und hofft auf ihre Unterstützung beim Gorillaschutz.
Gorillaschutz funktioniert nur in Zusammenarbeit mit der indigenen Bevölkerung. Die meisten sind Farmer und leben vom Kakaoanbau. Allerdings können sie weder die Anbaufläche vergrößern noch gibt es Straßen für den Transport der Erträge. Schon vor den Unruhen war ihr Einkommen extrem gering.
2018 hat die AWP mit dem Bau eines Solartrockners begonnen. Der Vorteil: Die Ernte kann während der Regenzeit getrocknet werden, Verluste durch Schimmel werden verhindert. Unsere Bedingung an die Gemeinde war, dass die Infrastruktur nur von Farmern genutzt wird, die sich aktiv am Gorillaschutz beteiligen und Frauen einen gleichberechtigten Zugang zum Trockner ermöglichen. Mitte 2019 schlossen wir die Bauarbeiten ab, obwohl wir alles Baumaterial über Motorräder und Schiffe durch ein Bürgerkriegsgebiet transportieren mussten.
Im ersten Versuch zeigte der Trockner eine Leistung von 1,25 Tonnen pro Woche - ausreichend für die Ernte des gesamten Dorfes. Dazu installierte die AWP Fermentierungsboxen, um die Qualität der Ernte zu steigern. Wir gehen davon aus, dass die neue Infrastruktur nun dafür sorgt, dass die Farmer 8-10 % mehr Einkommen zur Verfügung haben. Ein erster Schritt, um die Bevölkerung aus der Armut zu befreien.
Ein zweiter wäre es, wenn die Farmer ihre Bohnen zu einem fairen Preis verkaufen können. Dazu haben wir ihre Kakaobohnen führenden europäischen Schokoladeproduzenten angeboten. Die Ergebnisse sind vielversprechend.
Der Konflikt im englischsprachigen Teil Kameruns fing mit der Bildungspolitik der französischen Zentralregierung an. Es folgten Schulstreiks über mehrere Jahre, Entführungen und Drohungen, die die Kinder vom Schulbesuch abhalten sollten. Leidtragende sind die Kinder. Die AWP ist derzeit die einzige Organisation, die den ca. 8000 Kindern in Takamanda etwas von der verlorenen Normalität zurückbringt. Mit Unterstützung der Wilhelma in Stuttgart holen wir regulären Unterricht der 7- bis 17-Jährigen mit einem mobilen Klassenzimmer nach. Wir machen moderne Lernspiele und Gesangswettbewerbe. Pädagogisches Ziel ist es, den Schülern motorische, sprachliche und soziale Kompetenzen zu vermitteln. Dabei lernen die Kinder auch einen friedlichen Umgang mit ihren tierischen Nachbarn - den Cross-River-Gorillas und den Nigeria-Kamerun-Schimpansen.
Das Bildungsprojekt findet - ähnlich wie eine Projektwoche - in den Schulklassen statt. In Takamanda sind das gemischte Klassen mit bis zu 60 Schülern und teilweise großen Altersunterschieden. Eine Herausforderung für unsere Pädagogen, die für das Programm extra ausgebildet wurden. Ungewohnt sind auch die modernen Methoden wie Stationenlernen, Gruppensitzordnung oder individuelle Kindesförderung. Um das Zertifikat zum "Experten für Menschenaffen" zu erhalten, müssen die Schüler an einer schriftlichen Prüfung teilnehmen. Besonders engagierte Kinder bekommen Plüschtiere als Preis.
Yorick Niess
Der Einsatz für die Gorillas ist für die Mitarbeiter der AWP kräftezehrend und riskant. Allein die Anreise zum Nationalpark ist lebensgefährlich. So galt die Straße nach Mamfé als unpassierbar, bis die Projektleiterin, Frau Ngwasina, sie unversehrt bereiste. Hinzu kommen die "Ghost Towns": An manchen Tagen wird der Handel eingestellt und es gibt weder Bus noch Hotel oder Lebensmittel. Ausfälle von Strom, Telefon oder Internet behindern zusätzlich die Kommunikation. Urplötzlich kann man in Schießereien auf den Straßen geraten.
Immer wieder werden unsere Teams in "Check Points" von Militär oder Rebellen über Stunden festgehalten und durchleuchtet. Selbst am Ziel im Nationalpark gibt es noch misstrauische Blicke, werden Gespräche abgehört, um sicherzugehen, dass wir keine Spione sind.
Und doch können wir nach zwei Jahren Projekterfahrung sehen, wie die Situation in Takamanda langsam besser wird, weil das Lächeln in die Gesichter der Menschen zurückkehrt. Menschen, die bereit sind, auch Gorillas vor Gefahren zu schützen.
Wir haben die Einschätzung des Umweltministeriums in Kamerun, unser Projekt auf weitere Dörfer zu übertragen, und das Wort der Rebellen, die unseren Einsatz für die Region respektieren.
Sie - als Leser und Unterstützer der Berggorilla & Regenwald Direkthilfe - gehören derzeit zu den Wenigen, die unser Engagement konkret ermöglichen. Dafür möchte ich mich im Namen der Einwohner von Kekpani bedanken.