Gorillas im Sumpf: Ntokou-Pikounda
Kategorien: Ausgabe 46, Ökologie, Schutzmaßnahmen, Sonstige Länder, Sonstige Schutzgebiete, Westliche Flachlandgorillas, Gorilla Journal
Im Jahr 2000 brach Mike Fay, ein Mitarbeiter der WCS, zu seinem mittlerweile legendären Mega-Transekt durch die Wälder Zentralafrikas auf. Bei seiner 2000 km langen Tour vom Norden der Republik Kongo bis an die Küste Gabuns durchwanderte er auch undurchdringliche Sumpfwälder - die "Grüne Hölle", wie er sie später nannte. Für Menschen waren diese Wälder zwar unerträglich, aber Großsäugern boten sie gerade deshalb Schutz vor Gefahren. Die Menschenaffendichte war deshalb extrem hoch.
Das Mega-Transekt-Projekt sorgte für viel internationale Aufmerksamkeit und weckte das Interesse der kongolesischen Regierung. Gemeinsam mit der WCS begann sie 2004, das Potenzial der Region als Schutzgebiet auszuloten und machte eine biologische Bestandsaufnahme. Die Holzfirma IFO (Danzer-Gruppe) gab daraufhin 150 000 ha im südlichen Teil ihrer Konzession, die teilweise in der "Grünen Hölle" lag, an den Staat zurück.
Im Juli 2006 stand fest: Die Gorillapopulation der Sumpfwälder übertraf jede Erwartung. Ein glücklicher Umstand war zudem, dass die lokale Bevölkerung ein starkes Interesse am Schutz des Gebiets bekundete. 2006 kündigte der Kongo an, die Region als Ntokou-Pikounda-Nationalpark unter Schutz zu stellen.
Ein 40-köpfiges Team führte die erste umfassende Bestandsaufnahme von Elefanten und Menschenaffen im Norden Kongos durch. In der "Grünen Hölle" übernachtete man in Hängematten, die zwischen den Bäumen über den Sumpf gespannt waren. Eine Studie dieser Größenordnung gab es nie zuvor: Die Untersuchungsfläche umfasste ein Gebiet von 47 444 km² im Übergangsbereich von Flachlandregenwäldern zu Sumpfwäldern. Für manche Flächen war dies die erste Bestandsaufnahme überhaupt.
2008 lag das Ergebnis vor: Im Nordkongo lebten etwa 125 000 Westliche Flachlandgorillas. Damit wurden selbst die optimistischen Schätzungen weit übertroffen. Rund die Hälfte der Vorkommen war der Wissenschaft bis dato unbekannt. Man schätzte, dass allein in der Ntokou-Pikounda-Region 30 000 Tiere lebten. Das entspricht einer Gorilladichte von 4,1 entwöhnten Gorillas pro km². Damit erhielt das ungeschützte Gebiet höchste Schutzpriorität.
Auf der Basis von biologischen und sozio-ökonomischen Studien wurden die Grenzen des Nationalparks gemeinsam mit lokalen Interessenvertretern diskutiert und festgelegt. Große Schwierigkeiten waren dabei nicht zu überwinden, da innerhalb des Gebiets keine Menschen lebten - deshalb musste auch niemand umgesiedelt werden und die rund 7000 bis 8000 Parkanwohner durften ihre angestammten Nutzungsrechte behalten. Auf einer Versammlung aller Interessenvertreter wurde das Präsidialdekret am 4. März 2013 schließlich unterzeichnet.
Der Schutz kam buchstäblich in letzter Minute, da die Jagd auf Gorillas durch den Bau neuer Straßen und Brücken in alarmierender Geschwindigkeit zunahm. Dies erleichterte Wilderern den Zugang und ermöglichte den Abtransport des Wildfleisches. Zudem hatte eine Palmölgesellschaft Nutzungsrechte auf der Fläche des vorgesehenen Schutzgebietes erhalten; nun musste sie ihre Arbeit dort einstellen.
Paul T. Telfer