Westliche Flachlandgorillas: Lebensgeschichte

Kategorien: Ausgabe 39, Ökologie, Verhalten, Sonstige Länder, Sonstige Schutzgebiete, Westliche Flachlandgorillas, Gorilla Journal

Gorillamutter mit Säugling in Mbeli Bai

Gorillamutter mit Säugling in Mbeli Bai (© Thomas Breuer)

Im Vergleich zu anderen Primaten werden Gorillas sehr rasch geschlechtsreif. In Zoos bekommen weibliche Westliche Flachlandgorillas oft bereits den ersten Nachwuchs, wenn sie noch nicht einmal 10 Jahre alt sind. Dies entspricht etwa dem Alter, in dem wilde Berggorillas geschlechtsreif werden, während Westliche Flachlandgorillas im Freiland langsamer heranwachsen. Ein optimales Futterangebot im Zoo scheint das Erwachsenwerden zu beschleunigen. In natürlichen Lebensräumen mit ungleichmäßig verteiltem oder unsicherem Nahrungsangebot hilft dagegen das langsamere Heranreifen, das Hungerrisiko zu verringern.

Daraus ergibt sich die Frage, wie sich das unterschiedliche Nahrungsangebot in den natürlichen Lebensräumen auf die Entwicklung und die Fortpflanzung der verschiedenen Gorillapopulationen auswirkt. So leben Berggorillas von ständig wachsenden krautigen Pflanzen und Blättern, während die Nahrung der Westlichen Flachlandgorillas zu einem beträchtlichen Teil aus saisonalen Früchten besteht. Bislang war ein Vergleich zwischen den Unterarten jedoch nicht möglich, da keine Untersuchungen zur Lebensgeschichte freilebender Flachlandgorillas vorlagen.

Nun belegen aktuelle Langzeitstudien aus Mbeli Bai, dass sich Westliche Flachlandgorillas deutlich langsamer entwickeln als Berggorillas. Sie werden im Durchschnitt erst mit 4 Jahren und 9 Monaten abgestillt, also rund 16 Monate später als Berggorillas. Weibliche Berggorillas bekommen durchschnittlich mit 10 Jahren und 3 Monaten Nachwuchs - früher als Westliche Gorillas, bei denen Geburten ab einem Alter von 11 Jahren und 4 Monaten beobachtet wurden. Die Geburtenabstände sind zudem in den Virunga-Wäldern mit 3 Jahren und 10 Monaten kürzer als im Flachland-Regenwald. Westliche Gorillamänner gelten mit 18 Jahren als ausgewachsen, also 3 Jahre später als Berggorillas.

Wir schlagen deshalb vor, dass die Altersstufen für Westliche Flachlandgorillas neu definiert werden, wobei die langsamere Entwicklung berücksichtigt wird. Allerdings lässt sich erst etwas Endgültiges sagen, wenn auch Langzeit-Daten von anderen Flachlandgorilla-Populationen vorliegen.

Die langsamere Entwicklung und die längere Abhängigkeit von jungen Westlichen Gorillas könnte sich auch auf die Biologie dieser Tiere auswirken. Wenn etwa die Zeitspanne, in der ein Silberrückenmann eine Gruppe leitet, gewöhnlich kürzer ist als die Zeit, die seine Söhne zum Heranwachsen brauchen, werden sich keine Gruppen mit mehreren Männern bilden. Auch Kindersterblichkeit und Populationswachstum können davon beeinflusst werden - wichtig für die Planung von Schutzmaßnahmen.


Thomas Breuer