Gorillagruppen halten Abstand

Kategorien: Gorilla Journal, Ausgabe 57, Verhalten, Uganda, Bwindi, Berggorillas

Streifgebiete der einzelnen Gorillagruppen (© Nicole Seiler)

Da sich die Streifgebiete von Gorillagruppen überlappen, nahm man bisher an, dass sie nicht mit ihren Nachbarn um diese Gebiete konkurrieren. Doch sind sie tatsächlich so tolerant oder gibt es doch Wettbewerb zwischen den Gruppen?

Nahrung und Partner zu finden ist lebensnotwendig für alle Tiere. Die Art, wie sie ihre Umgebung hierzu nutzen, spiegelt sich auch in den Mustern der Raumnutzung wider. Das betrifft die Strecken, die sie täglich zurücklegen, die Gebiete, in denen sie umherstreifen, und die Häufigkeit, mit der sie immer wieder in bestimmte Bereiche zurückkehren. Bei Arten, die in Gruppen leben, geht man davon aus, dass diese Muster durch die Verfügbarkeit von Nahrung, aber auch durch soziale Faktoren wie Gruppengröße oder Nachbargruppen beeinflusst werden.

Normalerweise beschränken Tiere ihre Aktivitäten auf bestimmte Areale, sogenannte Streifgebiete. Die Streifgebiete verschiedener Gruppen können nicht-überlappend und ortsfest sein; solche Arten bezeichnet man als territorial. Um Artgenossen aus ihrem Streifgebiet fernzuhalten, verteidigen sie dieses. Bei anderen Arten überschneiden sich die Streifgebiete verschiedener Gruppen und können ihre Lage verändern. Tiere mit solchen Streifgebieten nennt man nicht-territorial. Bei territorialen Arten werden die Muster der Raumnutzung weitgehend durch Konkurrenz zwischen Gruppen bestimmt, bei nicht-territorialen Tieren ist der Wettbewerb mit Nachbarn gering - das nahm man jedenfalls bisher an.

An Gorillas lässt sich gut untersuchen, welche Rolle die Konkurrenz zwischen Gruppen spielt; überall, wo sie erforscht wurden, überlappten sich die Streifgebiete benachbarter Gruppen. Gorillas ernähren sich hauptsächlich von krautartigen Pflanzen, die reichlich vorhanden sind. Man nimmt an, dass sie ihre Nahrung nicht verteidigen, daher gelten sie als nicht-territorial. Konkurrenz zwischen Gruppen entsteht jedoch, wenn es um Fortpflanzung geht. Bei Begegnungen benachbarter Gruppen können Gorillaweibchen von einer zur anderen Gruppe wechseln. Dabei zeigen die Männer oft heftige Aggression, um den Wechsel von Gruppenmitgliedern und die Tötung ihrer Kinder zu verhindern.

Trotz ausgedehnter Überlappungen der Streifgebiete sind Begegnungen zwischen Gorillagruppen selten. Auch wenn diese meist durch Aggression der Silberrücken charakterisiert sind, kommt es nur sehr selten zu körperlichen Auseinandersetzungen.

Um die Rolle von Konkurrenz zwischen Gruppen zu untersuchen, haben wir das Verhalten von 13 habituierten Berggorillagruppen im Bwindi-Impenetrable-Nationalpark erforscht und die täglich zurückgelegten Strecken, die Größe der monatlichen Streifgebiete und die Häufigkeit des Besuchs bestimmter Areale festgehalten. Außerdem untersuchten wir, wie und wann benachbarte Gruppen gemeinsame Bereiche überlappender Streifgebiete nutzen.

Unsere Analyse zeigte, dass die Gruppen tatsächlich in Konkurrenz zueinander stehen. Je höher die Gorilladichte in der Nähe einer Gruppe, desto kleiner ist das monatlich genutzte Gebiet und desto weniger kehrt eine Gruppe in bestimmte Bereiche zurück. Außerdem legen Gruppen an Tagen, an denen sie einer anderen Gruppe begegnet sind, längere Strecken zurück. Trotz hoher Streifgebiets-Überlappung werden die stark genutzten Kerngebiete weitestgehend nur von einer Gruppe genutzt. Schließlich zeigten wir, dass Gruppen die Nutzung solcher Zonen reduzieren, die zuvor von ihren Nachbarn besucht wurden.

Unsere Studie ist eine der ersten, die nachweisen, dass Berggorillagruppen miteinander konkurrieren. Das heißt: Sogar bei nicht-territorialen Arten beeinflussen Nachbarn die Bewegungen von Gruppen ganz entscheidend. Trotz Überlappungen der Streifgebiete werden die Kernzonen weitestgehend nur von einer Gruppen genutzt. Dies deutet darauf hin, dass benachbarte Gruppen einander aktiv meiden, obwohl Gorillas ihre Streifgebiete nicht verteidigen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich territoriale und nicht-territoriale Arten nicht klar unterscheiden lassen. Doch wie gelingt es ihnen, den Nachbarn aus dem Weg zu gehen? Es ist denkbar, dass Gorillas 1.) sich an Begegnungsorte zwischen zwei Gruppen erinnern und diese Gebiete meiden, 2.) ihre Position mit Brusttrommeln anzeigen und 3.) Orte verlassen, an denen andere Gorillagruppen gefressen haben. Solch ein Verhalten zur Vermeidung von Konkurrenz mit Nachbarn kann wichtig für die Erhaltung dieser bedrohten Tiere sein. Ausschließlich genutzte Kerngebiete reduzieren den für jede Gruppe verfügbaren Raum und begrenzen damit die Zahl der Tiere, die im Bwindi-Wald leben können.

Nicole Seiler und Martha M. Robbins

Originalartikel
Seiler, N. et al. (2017): Space Partitioning in Wild, Non-Territorial Mountain Gorillas: The Impact of Food and Neighbours. Royal Society Open Science 4 (11), 170720
Seiler, N. et al. (2018): Social and Ecological Correlates of Space Use Patterns in Bwindi Mountain Gorillas. American Journal of Primatology 80 (4), e22754