Balanceakt in Kahuzi-Biega
Kategorien: Ausgabe 67, Gefahren, Konflikte, D. R. Kongo, Kahuzi-Biega, Grauergorillas
Seit den 90er-Jahren befindet sich der Kahuzi-Biega-Nationalpark im Zentrum mehrerer bewaffneter Konflikte. Während der Kongokriege wurde die Population der im Hochlandsektor des Parks lebenden Grauergorillas durch Wilderei dezimiert - von 258 Tieren im Jahr 1990 auf nur noch 130 im Jahr 2000. Im gleichen Zeitraum verschwanden die Waldelefanten im Hochlandbereich des Parks. Die Dörfer rund um den Park litten extrem unter Plünderungen, Entführungen, Banditentum und sexualisierter Gewalt durch bewaffnete Gruppen. Auch wenn die Wildhüter bewaffnet sind, ist ihre Arbeit sehr gefährlich. Seit 2018 wurden mindestens 5 von ihnen getötet und viele verletzt.
2022 veröffentlichte die Organisation Minority Rights Group den Bericht To Purge the Forest by Force, in dem Menschenrechtsverletzungen und Gewalt durch Wildhüter gegen Batwa seit 2018 angeprangert werden. Diese Gewalt setzte ein, nachdem eine Gruppe von Batwa energisch in den Park zurückgekehrt war. Mindestens 20 Batwa sollen dabei ums Leben gekommen sein. Daraufhin wurde von mehreren Organisationen gefordert, dass die Unterstützung für den Park (z. B. von der deutschen Regierung) ausgesetzt wird und dass die Batwa in den Park zurückkehren dürfen.
In den letzten Jahren haben bewaffnete Wildhüter und Regierungssoldaten zweifellos Übergriffe begangen, insbesondere gegen die Batwa. Ich habe mich intensiv mit den unterschiedlichen Perspektiven befasst, mit denen die im Umfeld des Parks lebenden Menschen diese bewaffneten Wildhüter sehen. Es gab auch Fälle, in denen Wildhüter eingegriffen haben, um die Anwohner vor Plünderungen durch bewaffnete Gruppen zu schützen und damit bestätigten, dass sie da sind, um für Recht und Ordnung zu sorgen.
Zwar mag die Streichung der Mittel für Wildhüter als logischer Schritt zur Eindämmung von Menschenrechtsverletzungen scheinen, aber dabei werden die strukturellen Kräfte nicht berücksichtigt, die zu rücksichtsloser Ausbeutung des Parks und zu Bedrohungen führen. Ein realistischerer Ansatz zur Lösung des Problems könnte darin bestehen, zusätzliche Mittel für die Schulung und Überwachung bewaffneter Wildhüter bereitzustellen und gleichzeitig die unverzügliche Meldung von Verstößen gegen Verhaltensregeln zu erleichtern.
Indigene Völker und Naturschutz
Einige Organisationen und Aktivisten für die Rechte indigener Völker meinten, dass die Batwa in ihr angestammtes Land zurückgekehrt seien, um ihre Rolle als natürliche Wächter des Waldes zu übernehmen. Meine Untersuchungen zeigen allerdings, dass dies nicht der heutigen Realität entspricht. Auch wenn die Batwa einst ökologisch nachhaltige Traditionen gepflegt und ein Leben mit minimalen Auswirkungen auf die Umwelt geführt haben, sieht ihr gegenwärtiges Verhalten anders aus. Seit ihrer Rückkehr in den Wald im Oktober 2018 haben mehrere Batwa-Chefs entscheidend zur Gewinnung von Holz und Holzkohle aus dem Park in großen Mengen beigetragen.
Im Juli 2023 interviewte ich den Leiter eines Holzkohlemarkts am Waldrand. Er beschrieb, dass Holzkohleproduzenten und -händler den Batwa-Chefs 45 000 kongolesische Francs (ca. 20 US-Dollar) zahlen mussten, um den Park zu betreten. Dies führte zur Zerstörung von mehreren hundert Hektar Wald. Die umfangreichste Abholzung fand im Hochlandsektor des Parks statt, der zum Kalehe-Territorium gehört, wo sich noch immer mehrere Batwa-Dörfer befinden. Die Nachfrage nach Ressourcen, insbesondere Holzkohle und Holz, wird hauptsächlich durch die städtischen Märkte in Bukavu und Goma angetrieben. Aber auch staatliche Stellen spielen eine wichtige Rolle, indem sie Gebühren auf die Ressourcen des Parks erheben. So entsendet das nationale Militär Soldaten, um Dörfer am Rand des Hochlandsektors des Parks zu schützen, doch diese Soldaten erheben an Straßensperren informelle Steuern für Waren, die den Park verlassen.
Angesichts dieser komplexen Situation ist es unwahrscheinlich, dass durch einen Zugang der Batwa zum Park ohne Beschränkungen der Schutz des Parks sichergestellt wird. Realistischer könnte es sein, den Batwa Land außerhalb des Parks zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig den Zugang zu bestimmten Bereichen innerhalb des Parks zu ermöglichen. Gleichzeitig ist es unerlässlich, ihnen alternative Möglichkeiten zu bieten, wie sie ihren Lebensunterhalt verdienen können, und eine Entschädigung für die historischen Ungerechtigkeiten anzubieten. Ein solcher Ansatz erkennt nicht nur die Komplexität der Situation an, sondern versucht auch, ein Gleichgewicht zwischen Naturschutz und sozialer Gerechtigkeit zu finden.
Fergus O'Leary Simpson