Eine Gorilla-Greisin

Kategorien: Ausgabe 47, Krankheiten, Verhalten, Zoos, Westliche Gorillas, Gorilla Journal

Colo

Colo (© Grahm S. Jones, Columbus Zoo and Aquarium)

Der 22. Dezember 1956 war ein historischer Tag in der Zoo-Welt: Zum ersten Mal kam in einem Zoo ein Gorilla zur Welt. Das Gorillababy, das nach seinem Geburtsort Columbus, Ohio (USA) "Colo" genannt wurde, gewann rasch die Herzen von Tausenden und schaffte es sogar auf die Titelseite des TIME Magazine.

Durch Colo haben wir viel über das Verhalten von Gorillas erfahren. Und auch heute noch, fast sechs Jahrzehnte später, lehrt sie uns einiges über diese bemerkenswerte Menschenaffenart.

Die durchschnittliche Lebenserwartung weiblicher Gorillas in Zoos liegt bei 37,5 Jahren. 2013 wird Colo ihren 57. Geburtstag feiern, damit stellt sie einen neuen Altersrekord auf. Ähnlich wie Menschen werden Zoogorillas heute immer älter. Doch die Versorgung alter, ja greiser Gorillas ist für Pfleger und Tierärzte eine Herausforderung.

Vor etwa 10 Jahre stellten wir fest, dass es Colo immer schwerer fiel, die künstlichen Bäume im Gorillagehege zu erklettern, um von einem Raum zum anderen zu gelangen; sie bewegte sich auch vorsichtiger. Daraufhin bauten die Pfleger an einem Baum einen Feuerwehrschlauch als Geländer ein, künstliche Aststümpfe als Griff- und Tritthilfen sowie Rampen aus Netzen. Dank dieser Veränderungen kann sich Colo sicher in einem gewissen Bereich bewegen.

Eigentlich ist Colo sehr gesund, sieht man von kleineren Beschwerden ab. Als sie etwa 40 Jahre alt war, bemerkten wir jedoch, dass sie Gewicht verlor. Wir ergänzten ihr Futter damals mit einem speziellen Proteinpulver. In den vergangenen Jahren passten wir ihre Ernährung erneut an und begannen mit einem Trainingsprogramm. Danach schien uns die Nahrungsergänzung überflüssig. Die Pfleger boten ihr an, zwischen den beiden Gorillahäusern hin und her zu wechseln; diese Möglichkeit, alle Gorillas zu sehen, stimulierte Colo nicht nur mental, sondern animierte sie auch dazu, sich mehr zu bewegen.

Seit 2009 behandeln die Tierärzte Colos Arthritis mit monatlichen Injektionen. Ihre Hände sind am schlimmsten von der Krankheit betroffen. Um die Beweglichkeit ihrer Finger und Gelenke zu fördern, untersuchten wir 2010 ihre Ernährungsgewohnheiten. Wir stellten fest, dass sie die Finger umso stärker bewegte, je größer die Nahrungsstücke waren. Daher schnitten wir das Obst und Gemüse nicht mehr in kleine Stücke. Außerdem erhält sie Cranberry-Saft und Acidophilus-Kapseln für die Harnwege und eine tägliche Dosis Dörrpflaumen zur Regulierung der Verdauung.

Schließlich hat sich Colos Sozialverhalten verändert. Sie hatte in ihrer Gemeinschaft verschiedene Rollen eingenommen und war bei der Erziehung zahlloser Jungtiere eine feste Größe. Doch 2006 zog sie sich aktiv aus dem Gruppengeschehen zurück. Sie hält sich zwar in der Nähe der anderen Tiere auf und "gibt weise Ratschläge" aus der Entfernung, doch bleibt sie lieber für sich. Die Pfleger sorgen dafür, dass sie dies tun kann.

Audra Meinelt

Update: Colo feierte 2016 ihren 60. Geburtstag und starb wenige Wochen später.