Geschichte der Berggorillaforschung
Kategorien: Berggorillas, Uganda, Ruanda, D. R. Kongo, Schutzmaßnahmen, Gorillagruppen, Geschichte, Ausgabe 38, Gorilla Journal
... begann vor 50 Jahren, als George B. Schaller ein Jahr lang die Gorillas der Virunga-Vulkane beobachtete. 1967 führte Dian Fossey Schallers Forschung im Kongo fort, doch bereits nach 6,5 Monaten zwangen sie politische Unruhen über die Grenze nach Ruanda, wo sie ein neues Camp mit dem Namen Karisoke aufbaute. Sie gewöhnte mehrere Gorillagruppen an menschliche Beobachter, indem sie sich in ihrer Nähe auf allen Vieren fortbewegte und die Grunz- und Fresslaute der Gorillas nachahmte. So habituierte Fossey zusammen mit Studenten bis 1972 drei Gruppen (u. a. die Gruppen 4 und 5) und legte den Grundstein für Langzeitbeobachtungen.
In den 1970er Jahren waren die Wildhüter nur mangelhaft ausgerüstet und ausgebildet; zudem waren Naturschutzorganisationen sehr wenig in den Gorillaschutz eingebunden. Das Forschungszentrum in Karisoke entwickelte sich rasch zum Koordinationszentrum für den Gorillaschutz.
Zählungen in den 70er Jahren zeigten, dass der Bestand der Gorillas seit den ersten Schätzungen von Schaller stark abgenommen hatte. Hauptgründe hierfür waren vermutlich der Verlust bzw. die Einengung ihres Lebensraums, aber auch die Jagd. 1978 spitzte sich alles zu, als Wilderer mehrere Mitglieder der Gruppe 4 umbrachten. Das große Presse-Echo darauf führte zur Gründung des Mountain Gorilla Project, und dieses wurde zum Vorbild für den Gorillaschutz in ganz Afrika.
Während der 80er Jahre sammelten die Forscher immer mehr Wissen zum Sozialleben der Berggorillas. Die Frauen der Gruppe 4, die ihren leitenden Silberrückenmann verloren hatte, schlossen sich benachbarten Gruppen an, wobei einige ihrer Jungtiere getötet wurden. Diese tragischen Vorkommnisse zeigten deutlich, wie lebenswichtig der Schutz des leitenden Mannes innerhalb einer Familiengruppe ist. Die Männer der Gruppe 4 bildeten eine Junggesellengruppe, die viele Jahre lang bestand.
In dieser Phase konnten wir auch die Entwicklung der Gorillas vom Kindesalter bis zur sexuellen Reife beobachten. Während einige geschlechtsreife Frauen auswanderten, blieben andere in ihrer Geburtsgruppe bei ihren Verwandten. Auch einige Männer blieben nach dem Erreichen der Geschlechtsreife in ihren Geburtsgruppen und bildeten Familienverbände mit mehr als einem Silberrückenmann. Studien ergaben, dass sich die Streifgebiete der Gruppen an der Nahrung orientierten und dass die Gruppen ständig um Gebiete mit der besten Nahrung konkurrierten.
In ganz Afrika wurden nun verschiedene Gorillapopulationen beobachtet und verglichen. Im Kahuzi-Biega-Nationalpark verstärkte man die Beobachtungen der habituierten Grauergorillas, in der Republik Kongo sowie in der Zentralafrikanischen Republik begannen Langzeitstudien an Westlichen Gorillas, in Uganda und Ruanda an weiteren Berggorillagruppen. Nachdem 1981 das Mountain Gorilla Project in Ruanda gestartet worden war, nahm die Zahl der Virunga-Gorillas nicht weiter ab. Ähnliche Projekte wurden daraufhin auch in Uganda und Zaïre initiiert.
Als Dian Fossey 1984 in ihrer Hütte brutal ermordet wurde, fragten sich viele, ob damit die Langzeit-Beobachtungen enden würden. Glücklicherweise waren zu diesem Zeitpunkt Berggorillaforschung und -schutz bereits unabhängig von ihrer Person.
Auch in den 90er Jahren entwickelte sich die Berggorillaforschung weiter. In Uganda passierte besonders viel, denn 1991 wurden Mgahinga und Bwindi zu Nationalparks erklärt und Forschungsstationen eingerichtet. Mitte der 90er Jahre waren in Bwindi 4 Gorillagruppen für den Tourismus sowie eine für die Forschung habituiert. In Gabun, der Republik Kongo und der Zentralafrikanischen Republik wurden Westliche Gorillas intensiv untersucht, in Zaïre/Demokratische Republik Kongo Grauergorillas.
Mit der Einführung neuer gentechnischer Analysemöglichkeiten erhielt auch die systematische Einordnung der Gorillas eine hohe Priorität. Populationsübergreifende genetische Studien führten dazu, dass heute die meisten Fachleute eine Trennung in zwei Arten befürworten: die Östlichen Gorillas, Gorilla beringei (mit den Grauer- und den Berggorillas) und die Westlichen Gorillas, Gorilla gorilla.
Wildhüter und Forscher nutzten neue Techniken, um Methoden für eine wirksame Bekämpfung von Parasiten und Krankheitserregern der Gorillas zu entwickeln. Dabei untersuchten sie auch, wie gefährlich die Nähe von Menschen für die Gorillas ist.
Jetzt, im 21. Jahrhundert, existiert das von Dian Fossey aufgebaute Forschungszentrum an seinem ursprünglichen Platz nicht mehr, aber seine Aktivitäten haben nie aufgehört. Forscher können nun z. B. Erbgut-Proben der habituierten Gruppen, die bis in die 70er-Jahre zurückreichen, mit neuen Proben vergleichen. Vaterschaftsanalysen belegten, dass untergeordnete Männer bis zu 15% der Jungtiere zeugen. Weiterhin stellte man fest, dass die Gruppenstruktur der Gorillas überall ähnlich ist, aber dass bei Berggorillas mehrere erwachsene Männer in einer Gruppe relativ häufig vorkommen (in 30-50% der Gruppen).
Wenn ich die Entwicklung der Berggorillaforschung betrachte, sehe ich gute Chancen, dass auch die nächsten Jahrzehnte uns weitere Erkenntnisse bringen werden - sofern die Lebensräume der Gorillas gut geschützt werden.
Kelly Stewart