Sind die Berggorillas noch Wildtiere?
Kategorien: Ausgabe 66, Gorillazahlen, Tourismus, Schutzmaßnahmen, Mensch & Gorilla, Berggorillas
Überall in Afrika beeinflussen Menschen den Lebensraum der Gorillas - durch Abholzung, Jagd, Abbau von Bodenschätzen usw. Berggorillas leben in zwei Waldinseln, die von Landwirtschaft umgeben sind. Die Gorillas und ihr Lebensraum waren stark bedroht, und dank der eindrucksvollen Fotos von Dian Fossey wurde dies weltweit bekannt. Strategien wurden entworfen und Maßnahmen ergriffen - mit Erfolg. Heute kann man allerdings den Eindruck bekommen, dass die Schutzgebiete der Berggorillas mehr und mehr Safariparks ähneln.
Wenn Wissenschaftler das Verhalten von Gorillas beobachten wollen, müssen die Tiere zunächst habituiert, also an die Anwesenheit von Menschen gewöhnt werden. Dian Fossey tat dies 1967 und seither ist dieses Vorgehen Standard geworden. Es hat aber auch Nachteile: Der Gewöhnungsprozess setzt die Gorillas unter starken Stress, und wenn sie habituiert sind, können sich ihnen Jäger besser nähern. Außerdem zögern die Gorillas nicht mehr, Felder zu plündern; dadurch steigen Konflikte mit der Bevölkerung und Krankheiten können leichter übertragen werden.
Habituierte Gorillas können nicht nur von Forschern besucht werden, sondern auch von Touristen. In Ruanda führte das Mountain Gorilla Project (heute IGCP) 1978 den Berggorillatourismus ein, im Virunga-Nationalpark startete er 1984 und in Bwindi 1993. Dadurch sollten die Einnahmen der Parks erhöht und die Behörden ermutigt werden, die weitere Zerstörung der Schutzgebiete zu verhindern und die Gorillas zu schützen. Um die Störung der Tiere so gering wie möglich zu halten, entwickelten Fachleute strenge Regeln.
Nicht alle Wissenschaftler begrüßten die Einführung des Tourismus bei den Berggorillas. Wie jeder Kontakt zu Menschen birgt er Gefahren wie Krankheitsübertragung und erhöhten Stress, vor allem, wenn die Regeln nicht befolgt werden. Andererseits ist der Berggorilla-Tourismus eine wichtige Einnahmequelle für die Länder geworden, in denen die Tiere leben. Anfangs wurden nur wenige Gorillagruppen besucht; 2010 waren allerdings schon über 70 % der Virunga-Gorillas an Menschen gewöhnt. Experten halten das nicht für nachhaltig, denn eine von Menschen eingeschleppte Epidemie, gegen die die Tiere keine Abwehrkräfte haben, könnte die gesamte Population gefährden.
Um gesundheitliche Probleme zu behandeln, die auf den Kontakt zu Menschen zurückgehen, entstand 1986 auf Bitten von Dian Fossey das Mountain Gorilla Veterinary Project (heute Gorilla Doctors). Seither kümmern sich Tierärzte um die habituierten Berggorillas und Grauergorillas. Sie entfernen Schlingen, in die Gorillas geraten sind, behandeln Krankheiten, führen Impfungen durch, nehmen Blutproben für Untersuchungen und vieles mehr. Dadurch startete eine neue Art von Wildtier-Management.
Heute sind bei den Berggorillas verschiedene Formen von Management allgegenwärtig. Ein Beispiel: Wenn sie Felder plündern, wird versucht, sie in den Wald zurückzutreiben; in seltenen Fällen werden sie sogar in Narkose gelegt und zurückgetragen. Im Virunga-Nationalpark errichtete man 2020/21 einen Elektrozaun, um zu verhindern, dass Tiere den Park verlassen.
Diese Maßnahmen zeigen Wirkung. Trotz ihres eng begrenzten Lebensraums sind Berggorillas die einzige Menschenaffen-Unterart, deren Anzahl steigt. Neben den traditionellen Patrouillen in den Schutzgebieten wirken vor allem das kontinuierliche Monitoring, der Tourismus und die medizinische Betreuung. Deutlich wird der Effekt, wenn man die Populationsentwicklung von habituierten und unhabituierten Virunga-Gorillas vergleicht: Die habituierten Tiere, die intensiv "gemanagt" werden, vermehren sich wesentlich stärker. Allerdings zeigt eine Studie aus Ruanda, dass diese Zunahme neuerdings geringer geworden ist und Stress und Aggression zugenommen haben. Vermutlich ist die Gorilla-Populationsdichte inzwischen zu hoch. Schon seit einigen Jahren wird von den ruandischen Behörden geplant, den Nationalpark zu erweitern und dafür zahlreiche Menschen umzusiedeln.
Enorme Summen wurden im Lauf der Jahrzehnte eingesetzt, damit sich die beiden Berggorilla-Populationen so gut entwickeln konnten. Allerdings waren die Voraussetzungen dort besonders günstig; in anderen Regionen lässt sich das nicht replizieren. Häufig können die Schutzgebiete nicht einmal die grundlegenden Schutzmaßnahmen finanzieren.
Im Augenblick geht es den Berggorillas gut - aber nur dank der permanenten Schutzmaßnahmen. Habituierte Berggorillas werden auch weiterhin ständig in Kontakt mit Menschen sein, und das hat Auswirkungen auf ihr Verhalten; man kann also tatsächlich sagen, dass sie keine echten Wildtiere mehr sind.
Es gibt allerdings noch die unhabituierten Berggorillas, die nur durch gesammelte Kotproben und andere Spuren bekannt sind. Das sind die "wilden" Berggorillas, die im Idealfall nie einem Menschen begegnen sollten.
Angela Meder
Der Westafrikanische Graben, in dem die Berggorillas und Grauergorillas leben, ist in vielerlei Hinsicht sehr wichtig. Er gilt als Hotspot der biologischen Vielfalt. Wie wichtig es ist, die dortigen Wälder zu erhalten, hat sich in den letzten Jahren gezeigt. Vor allem die Bergwälder sind Wasserspeicher, die die Menschen und ihre Felder das ganze Jahr über mit Wasser versorgen. In der Regenzeit gab es in den letzten Jahren zunehmend Erdrutsche infolge der jahrzehntelangen Entwaldung. Die Erhaltung der Wälder ist also nicht nur notwendig für die Gorillas, sondern auch für die vielen Menschen, die in der Region leben.
Das Management der natürlichen Ressourcen erfordert die Einbeziehung der lokalen Bevölkerung. Auch die umliegenden Gemeinden sollen von den Schutzmaßnahmen profitieren - durch Projekte, die Alternativen zur Nutzung der Schutzgebiete bieten. Damit versuchen die Parkleitungen, die guten Beziehungen zur Bevölkerung zu verbessern und mit ihr zusammenzuarbeiten.