Gorilla-Gruppendynamik

Kategorien: Ausgabe 49, Gorillagruppen, Verhalten, Berggorillas, Westliche Flachlandgorillas, Gorilla Journal

Einige Mitglieder der Umubano-Gruppe in Ruanda (© Wolfram Rietschel)

Gorillas verbringen den Großteil ihres Lebens in sozialen Gruppen, deren Zusammensetzung und Stabilität stark variiert - sowohl innerhalb der Gorillapopulationen als auch zwischen den Gorilla-Unterarten. Diese Unterschiede zu verstehen ist eine der interessantesten Aufgaben der Gorillaforschung.

Junge Gorillas werden in Fortpflanzungsgruppen geboren und wachsen dort auf. Diese Gruppen bestehen typischerweise aus mehreren, nicht verwandten Gorillafrauen, ihren Nachkommen und einem Silberrückenmann. Bei den Westlichen Flachlandgorillas umfassen die Fortpflanzungsgruppen in der Regel bis zu 20 Gorillas, darunter etwa 10 erwachsene Gorillafrauen. Bei den Berggorillas und den Grauergorillas werden gelegentlich Gruppen von bis zu 30 Tieren beobachtet, wobei den größeren Gruppen mehrere Silberrücken angehören.

Wie groß eine Gruppe wird, liegt u. a. am Lebensraum: Westliche Flachlandgorillas bewohnen Wälder mit vielen früchtetragenden Bäumen. Diese Bäume bieten nicht genug Nahrung für große Gorillagruppen. Berggorillas und einige Populationen von Grauergorillas leben dagegen in Wäldern, die eine dichte Bodenvegetation haben. Sie bietet auch für große Gorillagruppen ständig reichlich Nahrung.

Erwachsene Gorillafrauen bekommen alle 4-5 Jahre ein Kind und entwöhnen dieses etwa im Alter von 3 Jahren; Zwillingsgeburten sind sehr selten. Die entwöhnten Gorillakinder bleiben noch einige Jahre bei ihrer Mutter. Gorillafrauen erreichen die sexuelle Reife ab einem Alter von 8 Jahren. Dann bleiben sie entweder in ihrer Geburtsgruppe oder wechseln zu einem einzelnen Silberrücken oder in eine andere Fortpflanzungsgruppe. Bei den Westlichen Gorillas verlassen die jungen Gorillafrauen üblicherweise ihre Geburtsgruppe, während sie das bei den Berggorillas nicht unbedingt tun. Da bei diesen oft mehrere Silberrückenmänner zu einer Gruppe gehören, finden sie dort häufig einen passenden Partner.

Gelegenheiten für den Wechsel von Gorillafrauen sind Begegnungen ihrer Gruppen mit einzelnen Silberrücken oder anderen Gruppen. Während dieser Treffen zeigen die Gorillamänner Imponierverhalten, manchmal auch Kämpfe, und dabei können wechselbereite Gorillafrauen den Körperbau der Silberrücken und ihre Kraft vergleichen.

Junge Gorillamänner haben im Alter von 8-10 Jahren die Größe einer erwachsenen Gorillafrau und werden dann Schwarzrücken genannt. Erst im Alter von 12-15 Jahren färben sich ihre Rückenhaare silbern. Berggorillamänner erreichen die volle Reife mit etwa 15, Westliche Flachlandgorillas mit 18 Jahren. Sie verlassen bei den Westlichen Gorillas ihre Geburtsgruppe noch als Schwarzrückenmänner und leben entweder als Einzelgänger oder in Männergruppen mit einem älteren Silberrücken, bis sie selbst eine Fortpflanzungsgruppe mit Gorillafrauen bilden können. Dafür scheinen die knapperen Nahrungsressourcen verantwortlich zu sein. Bei den Berggorillas bleibt etwa die Hälfte der jungen Männer in der Geburtsgruppe, bis sie Silberrücken sind. Ein älterer Silberrücken kann mehrere andere Silberrücken, die meist seine Söhne sind, in seiner Gruppe dulden. Wenn er stirbt, bleibt die Gruppe zusammen und einer der Söhne übernimmt die Führung. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu den Westlichen Flachlandgorillas: Wenn hier der Silberrücken stirbt, zerfällt die Gruppe, und die Frauen schließen sich anderen Männern an.

Warum bleiben manche Berggorillamänner in der Geburtsgruppe, während andere sie verlassen? Das ist noch nicht endgültig geklärt. Für den Fortpflanzungserfolg scheint die Strategie, in der Geburtsgruppe zu bleiben, generell günstiger zu sein. In einer Gruppe mit nur einem älteren Silberrücken kann der jüngere Silberrücken damit rechnen, die Gruppe nach einigen Jahren zu übernehmen. In einer Gruppe mit mehreren jungen Silberrücken kann dagegen ein Abwandern günstiger sein.

Auch der dominante Silberrücken profitiert davon, wenn er jüngere Silberrücken in seiner Gruppe toleriert. Sie unterstützen ihn bei Auseinandersetzungen mit anderen Gruppen und helfen, die Nachkommen zu schützen. Das wiederum macht die Gruppe für Gorillafrauen attraktiv. Da die jüngeren Männer meist mit dem dominanten Silberrücken verwandt sind, tragen sie selbst dann indirekt zu seinem Fortpflanzungserfolg bei, wenn sie sich mit Frauen aus seiner Gruppe paaren.

Noch immer sind viele Fragen unbeantwortet, was die Gruppendynamik von Gorillas angeht, vor allem von den Grauergorillas und den Cross-River-Gorillas ist noch fast nichts bekannt. Es bleibt also spannend.

Damien Caillaud