Gorillas als Samenverbreiter
Kategorien: Ausgabe 52, Ökologie, Sonstige Länder, Westliche Flachlandgorillas, Gorilla Journal
Die tropischen Regenwälder in Afrika weisen nach dem Amazonasbecken die höchste Artenvielfalt auf. Weit über die Hälfte der Pflanzen entwickeln fleischige Früchte, deren Samen von Wirbeltieren verbreitet werden.
Schon lange hat man vermutet, dass vor allem Westliche Flachlandgorillas wichtig für die Verbreitung von Samen sind, da sie sich vorzugsweise von Früchten ernähren und zahlreiche Arten auf ihrem Speiseplan stehen. Zudem verschlucken sie die Samen unzerkaut. Bislang fehlten allerdings wissenschaftliche Untersuchungen, die dies belegten.
Zwischen 2009 und 2014 führten wir deshalb eine Studie an zwei Standorten in Kamerun und Gabun durch. In beiden Fällen handelte es sich um Sekundärwälder, die zwar nie komplett abgeholzt, aber von Menschen genutzt worden waren. Unsere Versuche belegten die große Bedeutung des Westlichen Flachlandgorillas für die Samenverbreitung und seine Schlüsselfunktion für die Dynamik und Regenerationskraft der Wälder in der Region. Eine Auswertung von Kotproben in Kamerun ergab, dass durchschnittlich 52 Samen von bis zu 12 verschiedenen Arten enthalten waren. Rund drei Viertel der Samen stammten von Bäumen.
Bei Versuchen mit Gorillas im Limbe Wildlife Center wiesen wir nach, dass die Samen von fünf Baumarten die Darmpassage unbeschadet überstanden und voll keimfähig waren. Manche Arten entwickelten ihre volle Keimfähigkeit sogar erst auf dem Weg durch den Verdauungstrakt. Die meisten Samen wurden nach eineinhalb bis zwei Tagen ausgeschieden, manche aber deutlich später. Da Gorillas in diesem Zeitraum weite Strecken zurücklegen, kommt es so gewissermaßen zur "Langstrecken-Verbreitung".
Die Studie erbrachte noch weitere interessante Erkenntnisse. Gorillas setzen die Hälfte ihres Kots in der Nähe der Nester ab. Da sie diese aber in der Regel in lichten Waldgebieten anlegen, oft in jungen Sekundärwäldern, landet rund die Hälfte der Samen an hellen und besonders geeigneten Standorten. Die Gorillas geben den Samen außerdem mit ihrem Kot ein "Startkapital" an Nähr- und Wuchsstoffen mit. Das begünstigt die Entwicklung der Keimlinge zusätzlich. Nach der Passage durch den Gorilladarm keimten Samen bei unseren Versuchen schneller.
Mindestens 58 Pflanzenarten wurden durch Gorillas verbreitet, darunter viele, die von Menschen genutzt werden. Eine davon ist das Balsambaumgewächs Dacryodes normandii. Bei dieser Art wiesen wir nach, dass Gorillas die Hauptverbreiter waren, da sie die Bäume während der Fruchtreife häufig aufsuchten und sich lange dort aufhielten. Andere Tiere spielten eine geringere Rolle.
Die Verbreitung von Samen durch Gorillas hat damit nicht nur ökologisch einen hohen Wert, sondern auch wirtschaftliche Bedeutung. Gorillaschutz sollte deshalb künftig in Managementprogramme zum Erhalt tropischer Regenwälder integriert sein und auch in nachhaltigen Nutzungskonzepten nicht fehlen.
Barbara Haurez